۱۳۸۷ مهر ۷, یکشنبه

Von Fall zu Fall

Die iranische Menschenrechts-Anwältin Schirin Ebadi erhält den Tutzinger Toleranz-Preis




Sie war die erste muslimische Frau, die einen Nobelpreis erhielt. Am 1. Oktober kommt für die iranische Anwältin und Friedensnobelpreisträgerin des Jahres 2003 der »Toleranz-Preis« der Evangelischen Akademie in Tutzing dazu.

Mit dem Recht und langem Atem die Welt verändern: Toleranz-Preisträgerin Schirin Ebadi.
Foto: epd-bild
 Mit dem Recht und langem Atem die Welt verändern: Toleranz-Preisträgerin Schirin Ebadi.

Nicht nur in Sachen hohe Auszeichnungen war Schirin Ebadi in vielem »die Erste«. Die »Erste« zu sein, zieht sich wie ein Leitmotiv durch das Leben der 1947 geborenen Iranerin.

Schirin Ebadi stammt aus einer fromm-muslimischen persischen Akademikerfamilie. In Hamedan im Nordwesten des Iran geboren, wuchs sie zusammen mit ihren zwei Schwestern und ihrem Bruder in der Hauptstadt Teheran auf, wo der Vater an der Universität Wirtschaftsrecht lehrte.

Zu Schah-Zeiten war es möglich: Nach dem Jurastudium schlug Schirin Ebadi 1969 als erste Frau in der persischen Geschichte die Richterlaufbahn ein. Nebenher promovierte die junge Juristin. 1975 wurde Ebadi zur Vorsitzenden Richterin am Teheraner Stadtgericht ernannt - mit gerade einmal 28 Jahren.

1979 kam die islamische Revolution, das Schah-Regime stürzte. Weil eine Frau nach islamischem Recht nicht über einen Mann richten dürfe, mussten Ebadi und alle anderen iranischen Richterinnen ihre Ämter aufgeben.

Ebadi machten die nun herrschenden Mullahs zur Sekretärin des Gerichtshofes, den sie gerade noch geleitet hatte. Als sie und die anderen Richterinnen protestierten, wurden sie zu »Expertinnen« im Justizministerium befördert.

Für Schirin Ebadi dennoch eine unerträgliche Situation: Sie reichte ihren Rücktritt ein. Diesem Gesuch gaben die Mullahs statt.

Für Schirin Ebadi, mit einem Ingenieur verheiratet und Mutter von zwei erwachsenen Töchtern, bedeutete das eine erzwungene Existenz als Hausfrau bis 1992. Erst dann gelang es ihr, wieder eine Zulassung als Rechtsanwältin zu erhalten und eine Kanzlei zu eröffnen.

Ebadi übernahm vor allem die Verteidigung von Frauen, die in der Islamischen Republik Iran nach wie vor auch gesetzlich diskriminiert werden, von politischen Dissidenten und Angehörigen der Opfer staatlicher Gewalt. »Lasst uns geduldig sein, wir haben keine andere Wahl« - mit diesem Motto, das sie mit vielen Frauen in der islamischen Welt teilt, hat Schirin Ebadi seither mit kleinen Schritten versucht, Veränderungen herbeizuführen: von Fall zu Fall, von Prozess zu Prozess. In ihrer 2006 erschienenen »vorläufigen« Autobiografie »Mein Iran. Ein Leben zwischen Revolution und Hoffnung« hat sie diesen Weg eindrucksvoll beschrieben.

1994 gründete Ebadi ein Kinderhilfswerk, eine der wenigen Nichtregierungsorganisationen im Iran. Und sie unterzeichnete den »Text der 134«, mit dem 134 Schriftsteller die Aufhebung der Zensur im Iran forderten.

Vor Gericht argumentiert die überzeugte Muslimin, deren persischer Vorname »die Süße« bedeutet, stets islamisch. Für die Verfechterin eines reformierten Islams bedeuten Menschenrechte und frommes islamisches Leben keinen zwangsläufigen Widerspruch. Nicht die Religion, sondern patriarchalische Herrschaftstraditionen stehen Ebadi zufolge den Rechten von Frauen und Kindern entgegen.

Ihre Mandate bringen auch sie selbst immer wieder in Haft: Zuletzt im Jahr 2000, als Schirin Ebadi die Frauenrechtlerinnen Mehrangiz Kar und Shala Lahiji verteidigte, die wegen ihrer Teilnahme an einer Konferenz der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin umstürzlerischer Aktivitäten bezichtigt wurden. Der Haftgrund: »Störung der öffentlichen Meinung«.

Als sie 2003 für ihren unbeirrbaren Einsatz für die Menschenrechte den Friedensnobelpreis erhielt, war sie damit nicht nur die erste muslimische Nobelpreisträgerin. Der Preis bedeutete auch unmittelbare persönliche Sicherheit für Ebadi.

Nicht zuletzt bedeutete der Nobelpreis auch ein deutliches Signal an die USA, einen Regimewandel im Iran nicht mit Gewalt zu erzwingen, sondern die bereits vorhandene gesellschaftliche Reformbewegung zu unterstützen. Ebadi selbst hat sich immer entschieden gegen gewaltsame Interventionen von außen ausgesprochen.

Jüngst hat das iranische Regime versucht, Schirin Ebadi über ihre Familie anzugreifen: Im August hat die Friedensnobelpreisträgerin eine Verleumdungsklage gegen die staatliche iranische Nachrichtenagentur IRNA und mehrere Zeitungen eingereicht. Diese hatten verbreitet, Ebadis Tochter sei zum verbotenen Bahá'í-Glauben übergetreten. Für Ebadi, die jüngst die Verteidigung von sieben Bahá'í übernommen hat, und ihre Tochter ist der Vorwurf eine tödliche Bedrohung: Auf die Abkehr vom Islam steht im Iran die Todesstrafe.


Heute: 28.09.2008
Aktuelle Ausgabe: 39 vom 28.09.2008
Markus Springer


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