۱۳۸۸ آذر ۲۶, پنجشنبه

Verschleierte Männer

Es ist eine Provokation der besonderen Art: Immer mehr muslimische Männer zeigen sich im Internet oder in der Öffentlichkeit mit einem Kopftuch ums bärtige Gesicht oder in einen Tschador verhüllt. Damit protestieren sie gegen das iranische Regime.


Es ist eine Provokation der besonderen Art: Immer mehr muslimische Männer zeigen sich im Internet oder in der Öffentlichkeit mit einem Kopftuch ums bärtige Gesicht oder in einen Tschador verhüllt. Damit protestieren sie gegen das iranische Regime.

Es begann nach dem 7. Dezember, als der Student Majid Tavakoli nach einer regimekritischen Rede an der Universität Amirkabir in Teheran festgenommen wurde. Vor etwa einer Woche veröffentlichte die staatliche Medienagentur Fars ein Bild des charismatischen Studentenführers, auf dem er mit gesenktem Blick und Brille zu sehen ist, sein Gesicht mit einem blauen Tuch und einem schwarzen Schleier umhüllt. Die entsprechende Nachricht besagt, dass der Regimegegner von der Polizei in Frauenkleidern aufgegriffen worden sei, als er sich nach der Kundgebung davonstehlen wollte.

„Ein Mann in Frauenkleidern – das gilt in der islamischen Kultur als fundamentale Erniedrigung“, sagt die deutsch-iranische Bürgerrechtlerin Mina Ahadi. „Die Verweiblichung des Mannes ist der größte Angriff, den man sich gegen seine Integrität nur vorstellen kann.“

Die Geschichte der Flucht von Majid Tavakoli hatte jedoch eine andere Wirkung: Seine Mitstreiter in der „grünen“ Bewegung haben sich gegen die fragwürdige Erniedrigung organisiert, iranische Studenten haben eine Solidaritätskampagne unter dem Namen „Wir sind alle Majid“ gestartet. Über Facebook wurden Männer aufgerufen, sich mit einem Kopftuch oder Schleier zu fotografieren und ins Internet zu stellen. Die dahinter liegende Botschaft: „Es ist keine Schande, in einem Kopftuch fotografiert zu werden.“

Einige Internetblogger haben aus den Hunderten von Kopftuchbildern Filme zusammengeschnitten, von denen immer mehr auf Videoplattformen zu sehen sind. Überall das gleiche Motiv: Männer mit Schnurrbart oder Brille, in Gruppen oder allein, alle mit Kopftuch verschleiert. Manche kokettieren dabei, andere lachen oder schauen bitterernst.

Von iranischen Privatwohnungen aus hat sich die einzigartige Protestwelle international ausgebreitet. Viele Iraner bezeugen Respekt und Bewunderung für die Männer, die sich fast alle mit erkennbarem Gesicht und verhüllten Haaren präsentieren. Inzwischen kursieren im Internet Bilder mit verschleierten Männern vor dem Pariser Eiffelturm, in Deutschland und den USA. Einige erklären, dass sich ihre Aktion auch gegen den weiblichen Verhüllzwang im Iran wende.

„Das ist witzig, modern und bricht die Tabus im Iran“, sagt Mina Ahadi, die in Berlin den „Zentralrat der Ex-Muslime“ gegründet hat. „Es ist die perfekte Antwort auf das islamische Regime, das Verschleierung eigentlich vorschreibt.“ Das Beste daran: Während die Studenten gegen die Erniedrigung ihres Kommilitonen protestieren, üben sie gleichzeitig Kritik am Kopftuch, so Ahadi. „Nicht nur, weil es lächerlich aussieht“, sagt sie. Es sei auch interessant, dass bei Männern erniedrigend wirke, was Frauen als Vorschrift verordnet wird.

Laut Ahadi habe der geschlechterübergreifende Bekleidungsstreit bereits Wirkung auf andere arabische Länder. „Viele Muslime blicken gebannt auf den Iran.“ Die grüne Revolution sei ohnehin eine sehr „weibliche“. Meist stünden in Frauen mutig in den ersten Reihen bei den Veranstaltungen und Demonstrationen der Regimegegner. „Einige haben schon ihr Kopftuch weggeschmissen“, sagt sie. In Deutschland erklärten ihr immer wieder Ägypterinnen, Sudanesinnen und anderen Muslima ihre Bewunderung dafür.

Die Welle der kopftuchtragenden Männer breitet sich derweil weiter aus. Die iranische Regierung hat darauf bislang nicht öffentlich reagiert.

(Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 17.12.2009) Von Ferda Ataman
http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/Iran;art1117,2977533

۱۳۸۸ آذر ۲۴, سه‌شنبه

Warum iranische Männer im Schleier protestieren


Irans Oppositionelle haben einen neuen Helden: den vor einer Woche verhafteten Majid Tavakoli. Der 22-Jährige wurde in den staatlichen Medien zwangsverschleiert gezeigt. Die Regimegegner machen sich die doppelte Aufladung des Fotos zunutze und unterstützen Tavakoli mit einer sehr eigenwilligen Kampagne.

Ein junger Mann mit Vollbart blickt ernst aus einem schwarzen Tschador hervor. Ein älterer Herr mit randloser Brille trägt ein geblümtes Kopftuch. Ein kräftig gebauter Student posiert in eine Tischdecke gehüllt. So geht es Klick für Klick immer weiter, über Hunderte von Bildern. Mit jedem Tag wächst die Menge der iranischen Männer, die sich im Schleier ablichten lassen und die Fotos auf Social Networking Platforms wie Facebook zur Ansicht stellen.

Iranische Oppositionelle haben die Internetkampagne „Männer mit Kopftuch“ gestartet, um den führenden Studentenaktivisten Majid Tavakoli zu unterstützen. Der 22-Jährige ist während einer Studentendemonstration am Montag vergangener Woche verhaftet worden. Anschließend veröffentlichten die staatlichen Medien Fotos von Tavakoli – im Tschador mit hellblauem Schleier darunter. Der regierungstreuen Nachrichtenagentur Fars News zufolge habe der Aktivist versucht, den Sicherheitskräften in Frauenkleidung zu entkommen.

Die jüngsten Studentenproteste nahmen die Reihe von Demonstrationen auf, die wegen mutmaßlicher Manipulationen bei der Wiederwahl von Präsident Mahmud Ahmadinedschad im Juni ausgebrochen waren. Tavakoli hielt dabei auf dem Campus der Teheraner Amir-Kabir-Universität eine Rede.

Ein Clip auf YouTube zeigt in verwackelten Bildern, wie er auf einem Podest vor einer Menge von Demonstranten steht. „Heute ist der Tag, an dem diese Nation Freiheit fordert und gegen die Tyrannei kämpft“, ruft er sichtlich ergriffen. „Stellt euch gegen die Diktatur und schreit so laut ihr könnt gegen die Diktatur.“

Die staatlichen Sicherheitskräfte warteten der Organisation Menschenrechtsaktivisten im Iran zufolge bereits auf ihn, als er das Gelände der Universität verließ. „Die Agenten schlugen und verletzten Majid während der Festnahme. Die Passanten waren schockiert über das Ausmaß der Gewalt und der Brutalität“, heißt es auf der Website der Gruppe.

Auf dem Bild, das nach der Verhaftung erschien, wirkt Tavakoli unter dem Schleier in sich zusammengesunken. Sein Blick ist vor Scham gesenkt. Obwohl die Aufnahme authentisch aussieht, haben einige Menschenrechtler ihre Echtheit angezweifelt. Andere vermuten, Tavakoli sei gezwungen worden, den Schleier anzulegen.


کمپین "مردان باحجاب"  - اعتراض به دستگیری مجید توکلی در پاریس

Die Behörden beabsichtigten offenbar, den Regimekritiker öffentlich zu demütigen und zu diskreditieren. Doch der Schuss ist nach hinten losgegangen: Die Kampagne zu seiner Unterstützung begann noch am selben Nachmittag, sich über Social Networking Platforms, Blogs und Fotocommunities auszubreiten. Und nun sind im Internet Hunderte von verschleierten iranischen Männergesichtern zu sehen. „Wir alle sind Majid“, steht am Rand vieler Bilder. Ein Iraner schreibt auf Twitter: „Wahre Männer tragen den Schleier ohne Furcht und Scham.“

Zusätzlich hat das Regime mit der Abbildung eines zwangsverschleierten Mannes unwillentlich daran erinnert, dass die Frauen in dem Gottesstaat demselben Zwang tagtäglich unterliegen. Die Oppositionellen machen sich diese doppelte Aufladung des Fotos zunutze – und setzen sich gleichzeitig für die Freilassung Tavakolis und gegen die Verschleierungsvorschrift für Frauen ein.

„Der Iran wird nicht frei sein, ehe nicht die iranischen Frauen frei sind. Iranische Männer: Lasst uns Kopftuch tragen aus Solidarität mit Majid UND den Frauen des Iran“, steht im Eintrag eines jungen Teheraners auf Facebook. Das Regime habe mit der Annahme, Frauenkleider müssten für einen Mann eine Demütigung bedeuten, seine frauenverachtende Haltung bloßgelegt, kritisierten viele Blogger.

Ein Hochschulprofessor schreibt im Internet: „Ich bin stolz, das Kopftuch meiner verstorbenen Mutter zu tragen, dasselbe Kopftuch, was meiner Frau aufgezwungen wird, und dasselbe Kopftuch, von dem die rückwärtsgewandte Banalität, die den Iran regiert, denkt, es werde Majid Tavakoli erniedrigen. Wir alle sind Majid Tavakoli – und wir iranischen Männer sind spät dran. Hätten wir reagiert, als das Kopftuch unseren Schwestern vor 30 Jahren aufgezwungen wurde, stünden wir heute vielleicht nicht an dieser Stelle.“

So haben die Oppositionellen im Iran wieder einmal unter Beweis gestellt, wie sie das Internet mit Witz und Kreativität als Ausdrucksform ihres Protestes einsetzen und dabei in der Lage sind, die Waffen des Regimes gegen die Machthaber selbst zu wenden. Das, was als Versuch einer persönlichen Demontage gedacht war, hat eine breite Welle der Solidarität und Identifikation ausgelöst.

Statt der Lächerlichkeit preisgegeben zu sein, ist Tavakoli nach der ermordeten Demonstrantin Neda Agha-Soltann zu einem zweiten, jungen Gesicht der Protestbewegung geworden. Dem 22-Jährigen selbst war durchaus bewusst, welches Risiko er einging: Er hat bereits zwei Mal in dem berüchtigten Teheraner Gefängnis Evin gesessen und war dabei iranischen Menschenrechtsaktivisten zufolge Folter ausgesetzt.

„Ich sehe die Tränen in den Augen meiner Mutter und die bangen Blicke meines Vaters. Bei all den Schwierigkeiten kann nur der Wunsch nach Freiheit meine Standhaftigkeit aufrechterhalten“, hat er im letzten Eintrag auf seiner Facebook-Seite geschrieben. „Und so nehme ich einmal mehr alle Gefahren hin, stelle mich an die Seite meiner Freunde, mit denen ich die Ehre habe, am 7. Dezember gegen die Tyrannei aufzuschreien. Für die Freiheit.“

http://nachrichten.aol.de/warum-iranische-maenner-im-schleier-protestieren/artikel/20091215101004924845561