Polygamie-Gesetz für reiche Männer
Wahied Wahdat-Hagh
Freitag 22. August 2008
Elahe Kolahi war Mitglied des sechsten Pseudo-Parlaments der Islamischen Republik Iran. Sie kritisierte eine neue Gesetzesvorlage, die zwar im „Namen der Familie, aber gegen die Familie“ verfasst worden sei.
Kolahi schreibt in einem Artikel, der in verschiedenen iranischen Zeitungen, wie Etemaad und Norous, und im Exil, Rooz, erschienen ist, über eine Gesetzesvorlage, die einen Streit über die „Grundlage und Stabilität der Familie“ entfacht hat. Kolahi, die an die khomeinistische Verfassung des Iran glaubt, schreibt, dass die Gesetzesvorlage „in der Tat den Prinzipien der Verfassung der Islamischen Republik Iran entgegensteht.“ Laut Verfassung müsste die Familie geschützt werden.
Kolahi hebt hervor, dass es die Aufgabe der Regierung sei, gegen die Unterdrückung und Ungerechtigkeit zu kämpfen und ungleiche und diskriminierende Bedingungen „umzuwälzen“, damit Bedingungen entstehen, die das Wachstum aller Menschen fördern.
Kolahi behauptet, dass das „Ziel der islamischen Revolution“ die „Entwicklung aller Menschen“ sei. Damit übergeht sie, dass die Entwicklung nicht-islamistischer also säkularer Iraner, der einfachen Muslime oder Angehöriger anderer Religionsgemeinschaften in der islamischen „Republik“ stark behindert wird.
Die Fundamente der Familie werden zerstört
Die neue Gesetzesvorlage scheint jedoch sogar die Interessen derjenigen Intellektuellen zu verletzen, die die Verfassung der Diktatur verteidigen: Kolahi schreibt, dass die neue Gesetzesvorlage „nicht nur die Rechte der Frauen in einer besorgniserregenden Art und Weise bedroht, sondern es besteht die Befürchtung, dass die Grundlagen und Fundamente der Familie im Land solche erschreckenden Rückschläge erhalten, dass für eine lange Zeit keine Gelegenheit mehr zur Wiedergutmachung bestehen wird.“ Darüber hinaus sei es gemäß der Verfassung die Aufgabe des Majless, alle Institutionen der Macht im Sinne der Verwirklichung dieser Ziele und dieser Ideale zu kontrollieren, meint Kolahi. Die Mitglieder des Majless haben deswegen auf den Koran geschworen, so die Politikwissenschaftlerin Elahe Kolahi.
Die historischen Tatsachen belegen aber, dass die meisten Muslime im Iran, von den nicht-muslimischen Andersdenkenden ganz zu schweigen, sich heute eine freie Gesellschaft herbeisehnen, die im Rahmen eben dieser Verfassung nicht mehr möglich ist. Zu dieser Erkenntnis wiederum sind Autoren wie Akbar Ganji, Shirin Ebadi oder Mehrangiz Kar gekommen.
Ein Gesetz für reiche Männer
Kolahi warnt insbesondere vor Artikel 23 dieser Gesetzesvorlage, die den „Männern erlaubt, im Falle des finanziellen Reichtums, ohne die Erlaubnis der ersten Frau, einen zweiten Ehevertrag – wohl auch weitere - gerichtlich abzuschließen, mit der Verpflichtungserklärung, dass Gerechtigkeit hergestellt werde.“
Es sei eindeutig, für welche „Schichten und Gruppen der Männer der iranischen Gesellschaft dieses Gesetz konzipiert worden ist.“ Kolahi hebt hervor, dass unter den heutigen Bedingungen der iranischen Gesellschaft viele junge Menschen noch nicht einmal in der Lage seien für die Kosten einer Hochzeit und für das spätere gemeinsame Leben in einer Familie aufzukommen. Viele junge Iraner können keine Familie gründen, weil ihnen die elementarsten Bedingungen dafür, wie eine Wohnung und eine Arbeit fehlen, betont die Politikwissenschaftlerin.
Kolahi fordert, dass die Regierung eher Schritte unternehmen sollte, damit junge Iraner Arbeit und billige Wohnungen finden, anstatt bessere Bedingungen für reiche Männer zu schaffen, die in Polygamie leben wollen.
Kolahi schreibt, dass offenbar die einfachste Art der Lösung eines Problems darin besteht, das Problem zu ignorieren. Denn sonst würden die Lebensbedingungen für junge Menschen verbessert werden und nicht nur die für reiche Männer.
Die Erwartungen einer Wissenschaftlerin, die an die Islamische Revolution glaubt
Kolahi glaubt an die islamische Revolution von 1979, trotz der ganzen staatlichen Verbrechen in den letzten 30 Jahren. Sie schreibt, dass die „islamische Revolution und die Sichtweisen des Imam Khomeini bestimmte Erwartungen unter den iranischen Frauen erweckt hat. Erwartet werde, dass die Regierung gegen jede Verletzung ihrer menschlichen Rechte kämpfen werde.“
Aber diese „unglaubliche Maßnahme“ habe eine „Welle von Besorgnissen“ unter den iranischen Frauen geschaffen. Mit der Ratifizierung dieses „Gesetzes gegen die Familie im Majless werden Bedingungen geschaffen, die der Institution der Familie tiefe Schläge erteilen werden.“ Eine Institution, die ohnehin auf Grund der „besonderen wirtschaftlichen Bedingungen des Landes mit ernsthaften Problemen konfrontiert ist.“
Die Mitglieder des Majless haben, Kolahi zufolge, die Aufgabe die Rechte aller iranischer Bürger zu schützen. Dabei seien die Hälfte der Bevölkerung Frauen. Die iranischen Frauen haben diese Majlessmitglieder nicht gewählt, damit sie die „Grundlagen des sozialen Lebens noch mehr erschüttern“, meint Kolahi.
Die islamische Revolution und die ideale Ehe
In allen Religionen und „Denkschulen“ habe die Institution der Familie eine besondere Rolle, insbesondere im Islam und in der islamischen Revolution. Kolahi argumentiert sogar mit den „Schäden“, die die kommunistischen Modelle im Osten und die Entwicklungen in westlichen Gesellschaften, der Institution der Familie zugefügt haben.
Sie sieht die Alternative in der Islamischen Revolution. Kolahi glaubt, dass deswegen die „Erwartungen an die islamische Revolution, mit der Betonung islamischer Werte und der Institution der Familie“ groß seien. Kolahi geht davon aus, dass die internationale Gesellschaft wohl einen negativen Einfluss auf die iranische Gesellschaft ausübe und kritisiert, dass die Familie nun auch von innen geschwächt werden soll. Frau Kolahi sieht nicht ein, dass die islamische Revolution eine Katastrophe für die iranische Gesellschaft und für die iranische Frau darstellt.
Brautgeld soll nicht versteuert werden
Kolahi kritisiert auch, dass die Frauen nun Steuern für das Brautgeld zahlen sollen. Dies würde die Ungleichheit zwischen Männern und Frauen noch mehr vergrößern. Das Ziel des neuen Gesetzesvorhabens sei offenbar, dass die Frauen kein zu hohes Brautgeld mehr verlangen sollten, um die Eheschließung zu „erleichtern“. Die Frau müsse Steuern bezahlen, auch wenn der Mann nur die Zusage gegeben habe, ein bestimmtes Brautgeld zu zahlen, und die Frau noch nichts davon gesehen habe. Kolahi erwähnt noch nicht einmal Probleme wie die Zwangsverschleierung, die dank der islamischen Revolution als islamisches Gesetz eingeführt worden ist.
Probleme des Rechtssystems
Kolahi sieht folgende Probleme: „Das Hauptproblem muss in den existierenden Ungleichheiten im Rechtssystem des Landes in Hinblick auf die Familie gesucht werden. Diese Ungleichheiten müssen mit der Korrektur ungeeigneter Verhaltensweisen reformiert werden.“
Abschließend kritisiert sie, dass die „heilige Institution der Familie nicht zerstört“ werden dürfe. Dies widerspreche vollständig dem „Geist“ der Verfassung, insbesondere, was die „Würde des Menschen“ und die „Ablehnung der Unterdrückung und Diskriminierung“ anbetreffe. Die totalitäre Diktatur überstrapaziert nach 30 Jahren auch die Schmerzgrenze der eigenen Reformkräfte, die nie die islamische „Republik“ in Frage gestellt haben und diese auch nie reformieren konnten.
Polygamie als ein von Gott stammendes Gesetz
Zohre Tabibzadeh Nuri ist eine Beraterin des Präsidenten Ahmadinejad. Sie ist die Vorsitzende des „Zentrums für Frauen- und Familienangelegenheiten. Tatsächlich meint Frau Tabinzadeh Nuri, dass „das Polygamiegesetz ein von Gott stammendes Gesetz ist und niemand diesem Gesetz widersprechen darf.“ Frau Tabibzadeh Nuri meint aber, dass die Männer nicht aus purer „Wollust“ mehrere Frauen haben dürfen.
Das Problem ist, dass niemand kontrollieren kann, welche Motive der polygame Mann hat. Das grundsätzliche Problem einer machtstabilisierenden und patriarchalen Perspektive erscheint hier im alten Gewand: Die Scharia wie auch die Gesetzgebung eines islamischen Staates werden als das von Gott gegebene letztgültige und unveränderbare Gesetz Gottes eingesetzt.
Ein Beispiel sei erlaubt: In Sure 4:34 im Heiligen Buch der Muslime steht: „Und wenn ihr fürchtet, dass (irgendwelche) Frauen sich auflehnen, dann ermahnt sie, meidet sie im Ehebett und schlagt sie.“ Was würde passieren, wenn das islamische Pseudo-Parlament einen solchen Satz als göttlich unveränderbar deklariere? Sollte eine solche Vorstellung wirklich justiziabel werden?
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