"Die Herrschaft der Männer über das
Volk“
Mittwoch 25. April 2007
Fariba Dawudi-Mohajer, Juristin und Frauenrechtlerin, gab der Roozonline ein Interview, das im folgenden in zusammengefasster Form dokumentiert wird. Sie macht darauf aufmerksam, dass die iranische Regierung den kleinsten Widerspruch als die Gefährdung der nationalen Sicherheit bewertet. Das Regime greife sofort ein und unterdrücke zivilgesellschaftliche Entwicklungen, die sich jenseits der Massenpropaganda des Staates abspielten. Die Regierung habe offenbar Angst vor der Gleichberechtigung der Frauen. Die Frauenbewegung werde sich nicht von der staatlichen Propaganda de Regimes beeindrucken lassen. Homa Zarafshan stellt zunächst fest, dass die iranische Frauenbewegung im Grunde noch sehr klein sei. Diese müsse sich ohne ausländische Hilfe entwickeln. Gegenwärtig werde diese Bewegung von einer Minderheit der Frauen in der gesellschaftlichen Mittelschicht getragen. Diese müsse sich sowohl in der Mittelschicht als auch in den unteren sozialen Schichten entwickeln, damit sie sich zu einer gesellschaftlichen Bewegung entwickle.
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„Versteht man unter Volksherrschaft tatsächlich die Herrschaft des Volkes oder die Herrschaft der Männer über das Volk?“ .
Dawudi-Mohajer war keine Teilnehmerin der Frauendemonstration im Juni letzten Jahres oder im März diesen Jahres. Dennoch strebt das Teheraner Revolutionsgericht ihre Verurteilung an. Sie fragt, wie es denn passieren kann, dass die „Demonstrationen einiger weniger Frauen, die lediglich gegen die Frauendiskriminierung kämpfen, als eine Maßnahme gegen die nationale Sicherheit betrachtet werden kann?“ Es könne doch nicht wirklich sein, dass ca. 70 Menschen, die alle für eine begrenzte Zeit verhaftet wurden, wobei eine Person sogar vier Monate im Gefängnis bleiben musste, die nationale Sicherheit eines so großen Landes wie des Iran gefährden? Die Frauen seien auf den Demonstrationen und im Gefängnis geschlagen und beschimpft worden und ihre Beschwerden vor den Gerichten seien noch nicht einmal beantwortet worden.
Dawudi-Mohajeri betont, dass „je mehr die Zivilgesellschaft gestärkt wird, desto mehr wird die Massengesellschaft eingeschränkt werden.“ Eine Zivilgesellschaft werde sich nicht in jede beliebige Richtung entwickeln können und werde sich nicht „vom Regime und dessen Propaganda beeinflussen lassen. Daher greift auch die Regierung ein, wenn sich eine starke zivilgesellschaftliche Bewegung herausbildet.“
Besonders wenn sogar nur ein Teil dieser Bewegung nicht-staatlich sei. Zeitungen, Websites, Webloggs würden immer wieder angegriffen werden. Sie beschreibt die Lage wie folgt: „Daher ist es natürlich, dass sie gegen Frauen, die für Gleichheit und gegen Diskriminierung sind, vorgehen.“ Wenn Frauen ihren Anteil von den Männern einfordern würden, würden sie unter Druck geraten. Es könne doch nicht möglich sein, beklagt Dawudi-Mohajer, dass die „Frauen ihre Stimmen den Männern geben, ihre Rechte aber nicht bekommen, die Männer jedoch täglich stärken. Es gibt in diesem Zusammenhang auch keine Differenzen zwischen den Konservativen und den Reformern. Sie müssen alle lernen, dass wenn sie die Unterstützung der Frauen bekommen wollen, sie den Forderungen der Frauen gerecht werden müssen. Und das gefällt nun mal den totalitär denkenden Männern nicht, die keine rivalisierende Stimme auch nur dulden. [...] Die Regierung bedroht die Frauen, ihre Websites werden gefiltert, sie werden von ihren Arbeitsstellen entlassen, gesellschaftlich unter Druck gesetzt, auf illegale Weise durchsucht.“ Sie fragt weiter, ob dies die einzige Antwort des Staates auf friedliche Forderungen der Frauen sei.
Sie führt in ihre Ausführungen weiter aus: „Die Regierung hat Angst vor den Forderungen der Frauen auf Gleichberechtigung. Sie hat Angst vor vielfältigen Stimmen. Sie hat Angst vor einem starken und effektiven Rivalen. Die Regierung will die Gesellschaft und die privaten Räume beherrschen. Die Frau soll eine Ware zu Hause sein und ein Instrument, das in der Gesellschaft den Männern dient. Die Frau soll dem Mann folgen und wenn sie sich auch sexuell nicht fügt, soll sie auch kein Abendbrot mehr bekommen. Die Regierung will die Frau zu Hause und in der Gesellschaft kontrollieren. Die Männer sollen aber an Polygamie Spaß haben. Das Gesetz dient den Männern sogar in ihrer Freizeit. Das ungleiche Erbgesetz, das Blutgesetz und das Zeugenrecht sollen dem Mann gegenüber der Frau wirtschaftliche Unabhängigkeit und sozialen Status verleihen. Die totalitär denkenden Menschen haben Angst vor einer Veränderung dieser Gesetze.“
Dawudi-Mohajeri betont, dass trotz allem die Regierung die Stimme der iranischen Frauen hören müsse. Sie macht darauf aufmerksam, dass die iranischen „Männer in einer Ecke sitzen und Angst haben auch nur ein wenig von ihrer Macht zu verlieren. Die Männer werfen den Aktivistinnen vor zu weit zu gehen.“ Die aktiven Frauen könnten die Männer fragen, wo sie denn geblieben seien, bekräftigt sie und fügt hinzu: „Nirgends in der Welt wird der 8. März als ein politisches Ereignis betrachtet. Unsere Regierung politisiert selbst den 8. März.“
Sie fragt, ob der Iran wirklich allen Iranern gehöre, wie Ex-Präsident Khatami propagiert habe, oder „nur den iranischen Männern?“ Sie fragt: „Versteht man unter Volksherrschaft tatsächlich die Herrschaft des Volkes oder die Herrschaft der Männer über das Volk? Die Reformer müssen endlich klären, was sie für ein Frauenprogramm haben. Die Reformer müssen deutlich sagen, was sie über die mutigen Forderungen der Frauen denken? Im letzten Juni haben einige Reformer gesagt, dass sie an den Demonstrationen nicht teilnehmen werden, weil diese zu weit gingen.“
Dawudi-Mohajeri verteidigt das Recht der Iranerinnen sich auf die internationalen Menschenrechtsvereinbarungen stützen zu dürfen. Sie würden sich auf die international gültigen Menschenrechtskonventionen und Resolutionen berufen, die der Iran unterschrieben habe. Man könne „nicht die traditionellen Werte gegen die Akzeptanz der internationalen Konventionen ausspielen.“ Die Welt sei dank der modernen Medien kleiner geworden. Die iranischen Frauen müssten Kontakt mit der internationalen Frauenbewegungen pflegen. Sie betont, dass die „Spezifika der iranischen Frauenbewegung ihr nicht-ideologischer Charakter“ sei.[1]
„Ohne ausländischen Einfluss“
Die Frauenrechtlerin, Homa Zarafshan, schreibt, dass sie sich nicht allgemein über die Frauenunterdrückung auslassen will, sondern über die „konkreten und existierenden Probleme in der gegenwärtigen Frauenbewegung.“
Sie bemängelt, dass die Frauenbewegung sich noch nicht landesweit und jenseits der Großstädte organisieren konnte und stellt fest: „Die Masse der Frauen, die den untersten Schichten der städtischen und agrarischen Gesellschaft entstammen, können immer noch keinen Widerstand leisten, obwohl sie unterdrückt werden.“ Zarafshan zufolge gehören die Aktivisten der Frauenbewegung hauptsächlich der iranischen Mittelsschicht an.
Gegenwärtig sei die Frauenbewegung hauptsächlich „eine intellektuelle Bewegung der Frauen. Diese hat sich noch nicht zu einer gesellschaftlichen Bewegung entwickelt. Es sind hauptsächlich studierte Frauen, Angestellte, Journalistinnen, Anwältinnen. Lehrerinnen und Studentinnen und Frauen, die schon mal ins Ausland gereist sind. Sie stellen alle selbstverständlich einen beachtenswerten Teil der Gesellschaft dar, die ihre eigenen und speziellen Interessen haben, die sie verteidigen müssen.“
Das Problem sei jedoch, fährt Homa Zarafshan fort, dass noch nicht einmal bei den Frauen der städtischen Mittelschichten die Forderungen der studierten Frauen angekommen seien. Nicht alle weiblichen Angestellte und nicht alle studierten Frauen würden die Forderungen der Frauenbewegung kennen. Zumindest sollen viele Frauen aus der Mittelschicht noch nicht einmal Kontakt mit der Frauenbewegung haben.
Zarafshan stellt in ihrer Analyse fest, dass generell intellektuelle Bewegungen zu schwach seien, um Machtverhältnisse zu verändern. Zudem müsse sich die Frauenbewegung zu einer sozialen Bewegung entwickeln. Die gesellschaftliche Bewegung im Iran müsse so stark werden, dass sie in die Lage kommt ihre Forderungen umzusetzen. Die Frauenbewegung solle ihren Blick nach unten richten, schreibt Zarafshan. Zunächst müsse die Frauenbewegung „horizontal“ wachsen und stärker werden, d.h. eine Mittelschichtbewegung werden. Dann müsse die Frauenbewegung sich auch „vertikal“ entwickeln, so dass sie auch die unteren Schichten der Gesellschaft erreicht.
Zarafshan verficht eine rein national orientierte Frauenbewegung und warnt interessanterweise vor ausländischen, insbesondere vor US-amerikanischen Einflüssen auf die iranische Frauenbewegung und geht davon aus, dass die gesellschaftlichen Bewegungen finanziell unabhängig handeln müssen.[2]
Der iranische Geheimdienstminister, Qolamhossein Mohssen Ejei warnte in einem sehr harten Ton vor einer „Zusammenarbeit der fünften Kolonne, der inneren Feinde mit ausländischen Elementen.“ Er betonte, dass der iranische Geheimdienst alle Bewegungen im In- und Ausland genau beobachte.[3]
[1] Roozonline, 26.3.2007, http://www.roozonline.com/archives/2007/03/003280.php
[2] Roozonline, 26.3.2007, http://www.roozonline.com/archives/2007/03/003291.php
[3] Aftab News, 28.3.2007, http://aftabnews.ir/vdcjhteuqoeoi.html
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