Es ist eine Provokation der besonderen Art: Immer mehr muslimische Männer zeigen sich im Internet oder in der Öffentlichkeit mit einem Kopftuch ums bärtige Gesicht oder in einen Tschador verhüllt. Damit protestieren sie gegen das iranische Regime.
Es ist eine Provokation der besonderen Art: Immer mehr muslimische Männer zeigen sich im Internet oder in der Öffentlichkeit mit einem Kopftuch ums bärtige Gesicht oder in einen Tschador verhüllt. Damit protestieren sie gegen das iranische Regime.
Es begann nach dem 7. Dezember, als der Student Majid Tavakoli nach einer regimekritischen Rede an der Universität Amirkabir in Teheran festgenommen wurde. Vor etwa einer Woche veröffentlichte die staatliche Medienagentur Fars ein Bild des charismatischen Studentenführers, auf dem er mit gesenktem Blick und Brille zu sehen ist, sein Gesicht mit einem blauen Tuch und einem schwarzen Schleier umhüllt. Die entsprechende Nachricht besagt, dass der Regimegegner von der Polizei in Frauenkleidern aufgegriffen worden sei, als er sich nach der Kundgebung davonstehlen wollte.
„Ein Mann in Frauenkleidern – das gilt in der islamischen Kultur als fundamentale Erniedrigung“, sagt die deutsch-iranische Bürgerrechtlerin Mina Ahadi. „Die Verweiblichung des Mannes ist der größte Angriff, den man sich gegen seine Integrität nur vorstellen kann.“
Die Geschichte der Flucht von Majid Tavakoli hatte jedoch eine andere Wirkung: Seine Mitstreiter in der „grünen“ Bewegung haben sich gegen die fragwürdige Erniedrigung organisiert, iranische Studenten haben eine Solidaritätskampagne unter dem Namen „Wir sind alle Majid“ gestartet. Über Facebook wurden Männer aufgerufen, sich mit einem Kopftuch oder Schleier zu fotografieren und ins Internet zu stellen. Die dahinter liegende Botschaft: „Es ist keine Schande, in einem Kopftuch fotografiert zu werden.“
Einige Internetblogger haben aus den Hunderten von Kopftuchbildern Filme zusammengeschnitten, von denen immer mehr auf Videoplattformen zu sehen sind. Überall das gleiche Motiv: Männer mit Schnurrbart oder Brille, in Gruppen oder allein, alle mit Kopftuch verschleiert. Manche kokettieren dabei, andere lachen oder schauen bitterernst.
Von iranischen Privatwohnungen aus hat sich die einzigartige Protestwelle international ausgebreitet. Viele Iraner bezeugen Respekt und Bewunderung für die Männer, die sich fast alle mit erkennbarem Gesicht und verhüllten Haaren präsentieren. Inzwischen kursieren im Internet Bilder mit verschleierten Männern vor dem Pariser Eiffelturm, in Deutschland und den USA. Einige erklären, dass sich ihre Aktion auch gegen den weiblichen Verhüllzwang im Iran wende.
„Das ist witzig, modern und bricht die Tabus im Iran“, sagt Mina Ahadi, die in Berlin den „Zentralrat der Ex-Muslime“ gegründet hat. „Es ist die perfekte Antwort auf das islamische Regime, das Verschleierung eigentlich vorschreibt.“ Das Beste daran: Während die Studenten gegen die Erniedrigung ihres Kommilitonen protestieren, üben sie gleichzeitig Kritik am Kopftuch, so Ahadi. „Nicht nur, weil es lächerlich aussieht“, sagt sie. Es sei auch interessant, dass bei Männern erniedrigend wirke, was Frauen als Vorschrift verordnet wird.
Laut Ahadi habe der geschlechterübergreifende Bekleidungsstreit bereits Wirkung auf andere arabische Länder. „Viele Muslime blicken gebannt auf den Iran.“ Die grüne Revolution sei ohnehin eine sehr „weibliche“. Meist stünden in Frauen mutig in den ersten Reihen bei den Veranstaltungen und Demonstrationen der Regimegegner. „Einige haben schon ihr Kopftuch weggeschmissen“, sagt sie. In Deutschland erklärten ihr immer wieder Ägypterinnen, Sudanesinnen und anderen Muslima ihre Bewunderung dafür.
Die Welle der kopftuchtragenden Männer breitet sich derweil weiter aus. Die iranische Regierung hat darauf bislang nicht öffentlich reagiert.
(Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 17.12.2009) Von Ferda Ataman
http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/Iran;art1117,2977533
Es ist eine Provokation der besonderen Art: Immer mehr muslimische Männer zeigen sich im Internet oder in der Öffentlichkeit mit einem Kopftuch ums bärtige Gesicht oder in einen Tschador verhüllt. Damit protestieren sie gegen das iranische Regime.
Es begann nach dem 7. Dezember, als der Student Majid Tavakoli nach einer regimekritischen Rede an der Universität Amirkabir in Teheran festgenommen wurde. Vor etwa einer Woche veröffentlichte die staatliche Medienagentur Fars ein Bild des charismatischen Studentenführers, auf dem er mit gesenktem Blick und Brille zu sehen ist, sein Gesicht mit einem blauen Tuch und einem schwarzen Schleier umhüllt. Die entsprechende Nachricht besagt, dass der Regimegegner von der Polizei in Frauenkleidern aufgegriffen worden sei, als er sich nach der Kundgebung davonstehlen wollte.
„Ein Mann in Frauenkleidern – das gilt in der islamischen Kultur als fundamentale Erniedrigung“, sagt die deutsch-iranische Bürgerrechtlerin Mina Ahadi. „Die Verweiblichung des Mannes ist der größte Angriff, den man sich gegen seine Integrität nur vorstellen kann.“
Die Geschichte der Flucht von Majid Tavakoli hatte jedoch eine andere Wirkung: Seine Mitstreiter in der „grünen“ Bewegung haben sich gegen die fragwürdige Erniedrigung organisiert, iranische Studenten haben eine Solidaritätskampagne unter dem Namen „Wir sind alle Majid“ gestartet. Über Facebook wurden Männer aufgerufen, sich mit einem Kopftuch oder Schleier zu fotografieren und ins Internet zu stellen. Die dahinter liegende Botschaft: „Es ist keine Schande, in einem Kopftuch fotografiert zu werden.“
Einige Internetblogger haben aus den Hunderten von Kopftuchbildern Filme zusammengeschnitten, von denen immer mehr auf Videoplattformen zu sehen sind. Überall das gleiche Motiv: Männer mit Schnurrbart oder Brille, in Gruppen oder allein, alle mit Kopftuch verschleiert. Manche kokettieren dabei, andere lachen oder schauen bitterernst.
Von iranischen Privatwohnungen aus hat sich die einzigartige Protestwelle international ausgebreitet. Viele Iraner bezeugen Respekt und Bewunderung für die Männer, die sich fast alle mit erkennbarem Gesicht und verhüllten Haaren präsentieren. Inzwischen kursieren im Internet Bilder mit verschleierten Männern vor dem Pariser Eiffelturm, in Deutschland und den USA. Einige erklären, dass sich ihre Aktion auch gegen den weiblichen Verhüllzwang im Iran wende.
„Das ist witzig, modern und bricht die Tabus im Iran“, sagt Mina Ahadi, die in Berlin den „Zentralrat der Ex-Muslime“ gegründet hat. „Es ist die perfekte Antwort auf das islamische Regime, das Verschleierung eigentlich vorschreibt.“ Das Beste daran: Während die Studenten gegen die Erniedrigung ihres Kommilitonen protestieren, üben sie gleichzeitig Kritik am Kopftuch, so Ahadi. „Nicht nur, weil es lächerlich aussieht“, sagt sie. Es sei auch interessant, dass bei Männern erniedrigend wirke, was Frauen als Vorschrift verordnet wird.
Laut Ahadi habe der geschlechterübergreifende Bekleidungsstreit bereits Wirkung auf andere arabische Länder. „Viele Muslime blicken gebannt auf den Iran.“ Die grüne Revolution sei ohnehin eine sehr „weibliche“. Meist stünden in Frauen mutig in den ersten Reihen bei den Veranstaltungen und Demonstrationen der Regimegegner. „Einige haben schon ihr Kopftuch weggeschmissen“, sagt sie. In Deutschland erklärten ihr immer wieder Ägypterinnen, Sudanesinnen und anderen Muslima ihre Bewunderung dafür.
Die Welle der kopftuchtragenden Männer breitet sich derweil weiter aus. Die iranische Regierung hat darauf bislang nicht öffentlich reagiert.
(Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 17.12.2009) Von Ferda Ataman
http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/Iran;art1117,2977533
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