Die Nachrichten, die den Westen vor allem über Medien wie Facebook, Twitter und YouTube erreichen, seit ausländische Journalisten nur noch eingeschränkt berichten dürfen, erzählen nicht nur von brutalen Revolutionswächtern, sondern auch von mutigen Frauen. Mütter und Töchter, Religiöse im Tschador und Mädchen mit Glitzernagellack gehen gemeinsam auf die Straße. Sie recken Fäuste und Schleier in den Himmel und kämpfen für Reformen. Der Widerstand ist weiblich. Neda Agha-Soltan (27), deren Tod bei Protesten im Juni mit einer Handykamera gefilmt wurde, gab ihm ein Gesicht.
Selma (32) lebt in Teheran und führt ein Online-Tagebuch. Den Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad beschimpft sie darin als Tyrannen. Bloggen, das Einstellen von privaten Nachrichten ins Internet, ist verboten im Iran; viele, die es trotzdem taten, sitzen hinter Gittern. Doch Selma will nicht schweigen. Ihr Zorn auf die Regierung ist immens. Mehr als Männer leiden iranische Frauen unter dem Alltag im Iran. Ahmadineschad nahm den Frauen in seiner ersten Amtszeit als Präsident die wenigen Freiheiten, die sie hatten. Er verstärkte den Einsatz von Sittenwächtern, die aufpassen, ob das Kopftuch richtig sitzt. Er sorgte dafür, dass Frauen Schwierigkeiten im Job bekommen, wenn sie bezahlte Überstunden leisten wollen. Er stellte einen Gesetzentwurf vor, der Männern die Vielehe erleichtert. In ihrem Internetblog beschreibt Selma ihren Traum von einer freien Gesellschaft: "Meine Tochter soll ihren Freund auf der Straße küssen können ohne Angst vor Sittenwächtern. Sie soll das Leben führen, das ich nicht habe. Dafür kämpfe ich!"
Die in Deutschland lebende Exil-Iranerin Behjat Moaali (60) sagt: "Die Frauen sind die Verlierer der Islamischen Revolution. Der Wunsch nach Veränderung macht sie mutig und stark." Moaali arbeitete Ende der 80er-Jahre als Anwältin in Teheran und erlebte, wie nach Khomeinis Machtergreifung die Scharia, die islamische Rechtsprechung, Einzug hielt in die persischen Gesetze. Frauen wurden bereits unter dem Schah diskriminiert. Mit Khomeini verschlechterte sich ihre Lage dramatisch. Nach der Scharia ist eine Frau nur halb so viel wert wie ein Mann. Bei Verstößen gegen den Schleierzwang drohen Peitschenhiebe, auf Ehebruch stehen Steinigung oder der Tod durch Erhängen.
Viele von Behjat Moaalis ehemaligen Kolleginnen wurden in diesen Tagen verhaftet. Auch die Anwältin Shadi Sadr (35) kam ins Gefängnis. Die Anklage: Mit ihrem Kampf um Frauenrechte wolle Shadi Sadr im Auftrag der USA das iranische Regime stürzen. Ein absurder Vorwurf: "Ich setze mich aus Überzeugung für Frauenrechte ein, nicht weil es mir jemand befohlen hat", sagt Shadi Sadr, die inzwischen wieder frei ist. Doch arbeiten kann sie nicht mehr im Iran.
Behjat Moaali steht in Kontakt mit ihren Schwestern in Teheran. Vor ein paar Jahren haben sie gelacht, wenn Moaali in Deutschland für den Iran demonstriert hat. Sie waren der Meinung, das bringt nichts. "Heute heißt es: Erzähl der ganzen Welt von uns!", sagt Behjat Moaali. Über das Internet schwappt die grüne Revolution in den Westen. Neue Kommunikationsmedien stärken weltweit die Solidarität der Iranerinnen und damit auch die weibliche Opposition im Iran.
Dass iranische Frauen Widerstand leisten, ist nicht neu. Schon 1979 setzten sie sich gegen die Diktatur des Schahs ein. 1997 wählten sie Mohammed Chatami, den Liebling der Intellektuellen, der in seinem Amt als Präsident eine gelockerte Zensur in den Künsten und der Presse bewirkte. 2006 starteten Aktivistinnen die immer noch andauernde Kampagne "Eine Million Unterschriften für Gerechtigkeit" mit dem Ziel, sich gegen frauendiskriminierende Gesetze zu wehren. 2009 schließlich wählten sie Mir Hussein Mussawi und gaben damit auch seiner Gattin Sarah Rahnaward (64) ihre Stimme. Die Mutter von drei Töchtern ist die ehemalige Dekanin der Frauenuniversität in Teheran, eine selbstbewusste Politologin und Bildhauerin. Sie begleitete ihren Mann zu Massenkundgebungen und hielt mit ihm öffentlich Händchen - im Iran ein Tabubruch. Sarah Rahnaward ist zu verdanken, dass auch Frauen zur Wahl gingen.
Die junge Generation verbindet ein Zorn auf das Regime - und die verzweifelte Bereitschaft, sich Gummiknüppeln und Tränengas entgegenzustellen. Die Schwester von Behjat Moaali berichtet, dass Demonstranten während einer Kundgebung von Revolutionswächtern in einen Hinterhalt gelockt wurden. Die Milizen trieben sie in eine Sackgasse, riegelten die Straße ab und prügelten auf sie ein.
Die Schwester kam mit blauen Flecken nach Hause. Sie hatte Schmerzen, trotzdem sagte sie: "Ich würde mich schämen, unter so vielen Verletzten und Toten für eine geschwollene Hand zum Arzt zu gehen. Ich bin froh, wenn ich etwas dazu beitragen kann, dass im Iran etwas passiert!"
(Carola Hoffmeister)
http://www.abendblatt.de/politik/ausland/article1322853/Aufstand-der-mutigen-Frauen-Erzaehlt-der-ganzen-Welt-von-uns.html
هیچ نظری موجود نیست:
ارسال یک نظر