Roxana Saberi, bekannt für ihre subtilen Alltagsgeschichten, ist wegen angeblicher Spionage angeklagt. Ihr droht die Todesstrafe. Der Prozess gefährdet die vorsichtige Annäherung zwischen den USA und dem Iran.
Washington. Eine ihrer letzten Reportagen handelte von iranischen Frauen, die sich die Lippen mit Rouge färben und das obligatorische Kopftuch so elegant übers Haar legen, dass man sieht, wie sie mit den strengen Vorschriften der Ajatollahs spielen. Sie handelte von Aufpassern, die den Frauen entrüstet vorwarfen, sich "schamlos wie Models" zu kleiden, nur weil sie über dem Körperschleier eine schicke Jacke trugen. Es ging um Männer, deren Frisur von den Moralaposteln als "unislamisch" eingestuft wurde – warum auch immer.
Roxana Saberi hat es einem breiten Publikum im Westen erlaubt, einen Blick hinter die Kulissen Irans zu werfen. In Alltagsgeschichten erklärte sie ein Milieu, in dem es neben Ajatollahs und Atomprogramm und den gängigen Stereotypen eine oft subtile Zivilcourage gibt, mehr Vielschichtigkeit, als man es sich in Texas oder Missouri vorstellen mag. National Public Radio, der informativste Hörfunksender der Vereinigten Staaten, hat ihre Reportagen gebracht. Auch die BBC und Fox News strahlten aus, was Saberi aus dem rätselhaften, faszinierenden Land Iran zu erzählen hatte. Jetzt steht die 31-jährige US-Amerikanerin wegen angeblicher Spionage vor einem iranischen Gericht.
Mit dem Urteil wird in zwei Wochen gerechnet. Das Gerichtsverfahren war Anfang der Woche mit ungewöhnlicher Eile und hinter verschlossenen Türen abgehandelt worden. Saberi habe das Schlussplädoyer zu ihrer Verteidigung gehalten, teilte ein Sprecher des Revolutionsgerichts in Teheran mit.
Es ist ein Fall, der das Verhältnis zwischen Washington und Teheran schwer belastet – ausgerechnet jetzt, wo die Zeichen auf Tauwetter stehen. Erst im März hatte US-Präsident Barack Obama aus Anlass des persischen Neujahrsfests Nowruz einen Dialog angeboten, von der gemeinsamen Menschlichkeit gesprochen, die alle verbinde. Konkrete diplomatische Initiativen sollen folgen. In Afghanistan, wo Iraner und Amerikaner mit den Taliban gemeinsame Feinde haben, zeichnet sich so etwas wie eine stille Kooperation bereits ab.
Vor diesem Hintergrund wird deutlich, worum es sich bei dem abstrusen Verfahren gegen Roxana Saberi handelt: um ein Störmanöver der Hardliner. Von Obama in Verlegenheit gebracht, will die Betonfraktion eine Annäherung an die USA, den "Großen Satan" des Revolutionsführers Ajatollah Ruhollah Khomeini, durchkreuzen – oder zumindest den Preis für einen Ausgleich in die Höhe treiben.
Roxana Saberi ist die Tochter eines iranischen Vaters, Reza, und einer japanischen Mutter, Akiko. Aufgewachsen ist sie in Fargo, unweit der kanadischen Grenze, wo sie an ihrer Schule ein gefeierter Fußballstar war und 1997 zur "Miss North Dakota" gekrönt wurde. Nach dem Studium in Chicago und Cambridge ging sie in den Iran, um als freie Journalistin für westliche Medien zu berichten. Nebenbei, erzählt ihr Vater, schreibe sie an einem Buch. Vor allem wolle sie die Landessprache Farsi lernen und durch eigene Erlebnisse das vertiefen, was sie bereits aus der Theorie über die iranische Kultur wusste. Sie hat Pässe sowohl des Iran als auch der USA; doppelte Staatsbürgerschaften werden vom Mullah-Regime in Teheran allerdings nicht anerkannt.
Auf eine schnelle Lösung hoffend, hatte Reza Saberi zunächst Wert darauf gelegt, den Fall seiner Tochter nicht an die große Glocke zu hängen. Schon im Januar war Roxana verhaftet und ins Teheraner Evin-Gefängnis gebracht worden, wo die meisten politischen Häftlinge einsitzen. Aber damals klang noch lapidar, was man ihr zur Last legte: Sie habe eine Flasche Wein gekauft, hieß es. In der Islamischen Republik ist das verboten. Später wurde sie beschuldigt, seit 2006 ohne gültigen Presseausweis gearbeitet zu haben. Im April wurde daraus ein Spionagevorwurf.
Roxana Saberi, sagte der zuständige Richter Sohrab Heydarifard, benutze den Journalismus, "um Informationen und Dokumente zu sammeln und an amerikanische Geheimdienste weiterzuleiten". Auf Agententätigkeit kann im Iran die Todesstrafe stehen.
VON FRANK HERRMANNhttp://nachrichten.rp-online.de/article/politik/Iran-US-Journalistin-vor-Gericht/36522
Quelle: Rheinische Post
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