۱۳۸۷ آذر ۱۵, جمعه
Weiblicher "Bewegungsjournalismus" im Iran
Fünf frauenpolitisch aktive Iranerinnen waren zu Gast in Wien: Was die Politik versäumt, übernimmt die Zivilgesellschaft lautete das Credo der Zweckoptimistinnen
Optimismus ist eine schöne Sache, vor allem, wenn er aus einem Land kommt, das sonst eher für traurige Nachrichten bekannt ist, wenn es um die gesellschaftliche Etablierung demokratischer Grundwerte geht. Die Rede ist von Iran: Jenseits von Mahmud Ahmadi-Nejads antisemtischen Verbalattacken gegen Israel und unabhängig von seinem Tauziehen mit der Internationalen Gemeinschaft über das vermutete Atomprogramm Irans hat sich in dem rund 75 Millionen EinwohnerInnen-Land eine Zivilgesellschaft gebildet, die hauptsächlich von Frauen getragen wird.
So berichten es zumindest die fünf weiblichen Gäste, die auf Einladung der Österreichisch-Iranischen Gesellschaft, der Plattform "Pro Frau" und dem interkulturellen Forum "Das Iranische Wien" am 3. und 4. Oktober nach Wien gekommen sind, um über zivile Entwicklungen in Iran zu berichten. Als wohl bekannteste Vertreterin der iranischen Frauenbewegung war Shahla Lahiji zu Gast, die 1983 als erste Verlegerin in Iran Geschichte schrieb. Bei "Roshangaran" sind bisher an die 300 Titel erschienen, die meisten haben die Lebensrealität von Frauen zum Thema. Die einsame Verlegerin ist längst Vergangenheit: Inzwischen sei der Buchmarkt in Iran "eigentlich in den Händen der Frauen", so die Publizistin. Von 500 "unabhängig" tätigen VerlegerInnen seien 200 Frauen.
Politisches Vakuum mit Eigeninitiative gefüllt
Dass Frauen über "aktuelle Probleme" wie Abtreibung und Gewalt in der Familie schreiben, ist mutig, an der ökonomisch schwierigen Situation der meisten Frauen ändert das wenig. Die Arbeitsmarktsituation in Iran ist generell schlecht - besonders für AkademikerInnen - trotzdem berichteten die Frauen auch über positive Entwicklungen. Die Arbeitsmarktexpertin Firouzeh Saber präsentierte ihre Studie über 50 Unternehmerinnen in Iran. Jenes Empowerment, das Frauen dazu befähigt, trotz ihrer rechtlichen und gesellschaftlichen Diskriminierung im Arbeitsleben aktiv zu werden, sieht sie auch abseits der intellektuellen, urbanen Gegenden des Iran bestätigt. "Die Frauen haben das Vakuum, das die offizielle Politik produziert mit der Kraft der Einzelnen gefüllt, sie mussten es tun", fügt Saber hinzu.
Den Bereich Medien und Frauen deckte die junge Journalistin Ameneh Shirafkan ab. Sie studiert Women's Studies in Teheran, ist in der Studentenbewegung aktiv und schreibt seit mehreren Jahren für verschiedene Frauenmagazine. Die Dominanz von Männern und deren Blick in den Medien haben Journalistinnen in den letzten Jahren gebrochen, so die 26-Jährige. Heute würde eine Auseinandersetzung mit frauenspezifischen Themen wie Gewalt in der Familie und Berufstätigkeit von Frauen nicht mehr nur in Frauenmagazinen vorkommen, sondern auch in allgemeinen Zeitschriften.
Rote Linie der Zensur
Die Bedingungen, als Journalistin in Teheran zu arbeiten, sind jedoch weiter hart. Durch die starke Zensur dürfe etwa über die Praxis von Steinigungen in Iran nicht berichtet werden. Über viele Frauenaktivistinnen würden zudem Listen existieren, die sie aus der Medienberichterstattung ausschließen.
Trotz der widrigen Umstände, zu der auch die mangelnde finanzielle Absicherung gehört, haben die Frauen aber auch Siege errungen: So konnte ein parlamentarischer Antrag zur Verschärfung des Familienrechtsgesetzes vor einigen Jahren durch die Mobilisierung der Zivilgesellschaft in den Medien abgewendet werden. Die Anträge, bei denen es um die Einführung von Polygamie und die Versteuerung der Morgengabe ging, störten auch die Prinzipalistinnen (Anm. "Prinzipalisten" - Überbegriff für konservative PolitikerInnen in Iran) - ein wesentlicher Faktor für den Erfolg der Kampagne, so Shirafkan. "Als ich am Zeitungskiosk vorbeiging und sah, dass fast alle Zeitungen mit 'Sieg der Frauen' titelten, habe ich eine Gänsehaut bekommen", erzählt die Journalistin stolz.
Bewegungsjournalismus
Auch bei einem anderen Antrag, in dem es um die gesetzliche Reduzierung der Arbeitsstunden für Frauen ging, konnte sich die Frauenbewegung durchsetzen. Die Diskussion darüber sei sehr kontroversiell verlaufen, weil sich zahlreiche Frauen auch Vorteile über die einseitige Verkürzung ihrer Arbeitszeit versprachen, gleichzeitig hätte das Gesetz aber auch Arbeitnehmerinnen für Unternehmen unattraktiv gemacht. Letztlich wurde der Antrag auch aufgrund der hohen Kosten, die der Staat damit auf sich genommen hätte, fallen gelassen. Dies alles sieht Shirafkan als Zeichen eines erstarkenden "Bewegungsjournalismus" in Iran: Zum einen, weil viele Aktivistinnen inzwischen als Journalistinnen arbeiten, zum anderen, weil kritischer Journalismus auch konkret etwas an den Verhältnissen ändern kann. Aktuell wird in Iran über ein Gesetz diskutiert, das nur für Frauen das Studium auf den eigenen Wohnort beschränkt - eine Maßnahme, die den zunehmenden Frauenüberschuss (zwischen 55 und 70 Prozent) an den iranischen Universitäten eindämmen soll. Auch in dieser Frage, so Shirafkans, mobilisiert bereits der kritische Journalismus. (freu, dieStandard.at, 10.10.2008)
http://diestandard.at/?url=/?id=1220460205064
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