Proteste: 6000 Iranerinnen demonstrieren in Teheran für Gleichberechtigung. Mit Präsident Ahmadinedschad wurde alles nur noch schlimmer. Auch Minderheiten klagen.
Von Thomas Frankenfeld
Die Sure 4:34 des Korans erlaubt dem Mann unter bestimmten Umständen das Schlagen einer widerspenstigen Frau. Als jetzt nach Oppositionsangaben rund 6000 Frauen mitten in Teheran gegen die Unterdrückung ihres Geschlechts demonstrierten, "Freiheit, Freiheit" riefen, Gleichberechtigung forderten und skandierten: "Wir sind menschliche Wesen, aber haben keine Rechte", fühlte sich die Polizei zum Dreinschlagen ermutigt. Nach Angaben des regimefeindlichen Nationalen Widerstandsrates wurden viele Frauen von den Sicherheitskräften brutal zusammengeschlagen; Hunderte seien festgenommen und in Bussen abtransportiert worden.
Innenpolitisch ist der Iran keineswegs ein reaktionärer Monolith. Aber die Lage der Frauen, die sich nach der islamischen Revolution 1979 und der Machtergreifung des düsteren Eiferers Ajatollah Ruhollah Khomeini dramatisch verschlechtert hatte, ist auch unter Präsident Mahmud Ahmadinedschad kaum besser. Obwohl es ausgerechnet der islamistische Staatschef war, der kürzlich versuchte, den Frauen den streng verbotenen Besuch von Sportstadien zu gestatten.
Doch der erzkonservative Klerus unter Ajatollah Chamenei hatte diesen liberalen Keim sofort zertreten. Die Mullahs sahen das Schamgefühl der Frauen durch nackte Fußballerwaden und den rüden Männerton in den Stadien gefährdet.
Frauen im Iran sind buchstäblich nur die Hälfte des Mannes wert, zum Beispiel im Erbrecht oder bei Aussagen vor Gericht. Gewalt bestimmt häufig ihr Leben. Pari Rafi von der Berliner Liga für die Menschenrechte im Iran zitierte im vergangenen Jahr einen Offenen Protest-Brief der Journalistin Fereshteh Ghazi an die Staatsführung in Teheran.
In der Haft hatte Ghazi zwei zum Tode verurteilte Frauen kennengelernt, die auf ihre Hinrichtung warteten. Die eine hatte im Kampf einen Einbrecher getötet, der sie vergewaltigen wollte. Hätte sie sich nicht gewehrt, wäre sie gesteinigt worden. Die zweite Frau war eine geistig behinderte 19jährige, die von ihrem Bruder vergewaltigt wurde. Ihr Sohn kam im Gefängnis zur Welt.
Doch nicht nur Frauen leiden unter dem Regime. Auch die Lage der Minderheiten hat sich dramatisch verschlechtert - namentlich nach dem Amtsantritt von Ahmadinedschad. Die Wut der fanatischen Revolutionswächter richtet sich vor allem gegen Kurden, die religiöse Minderheit der Bahai, konvertierte Christen und die Mandäer, die in Johannes dem Täufer ihren letzten Propheten sehen. So wurde der 21jährige Mandäer Sayeed Khamsi laut Gesellschaft für bedrohte Völker in der Stadt Ahwaz halbtot geprügelt und in benzingefüllten Autoreifen lebendig verbrannt. Es heißt, die Behörden weigerten sich, in derartigen Mordfällen zu ermitteln.
Brutale und nicht selten tödliche Übergriffe werden auch bezüglich der Bahai und der Kurden gemeldet. Und im Nordwesten, dem Gebiet der 16 Millionen turkstämmigen, Aseri sprechenden Iraner, kam es zu Unruhen, nachdem eine iranische Zeitung eine rassistische Karikatur veröffentlicht hatte. Sie zeigte eine Aseri sprechende Küchenschabe.
erschienen am 14. Juni 2006
abendblatt.de
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