Die "Eine Million Unterschriften-Kampagne gegen frauendiskriminierende Gesetze im Iran" (Sektion Deutschland) hat den Internationalen Frauentag zum Anlass genommen und am 5. März 2011 zur einer Veranstaltung mit dem Themenschwerpunkt „Frauenrechte im Islam“ in die Ruhr-Universität Bochum eingeladen. Gäste der Veranstaltung waren unter anderem der Islamwissenschaftler und ehemalige iranische Abgeordnete Hassan Youssefi Eshkevari und der Philosoph, Mohammad Reza Nikfar.
Zu Beginn sprach die Moderatorin des Abends, Shaghayegh Kamali, von den Absichten der Eine Million Unterschriften Kampagne und betonte, es sei wichtig, Männer in die Debatte einzubinden und mit ihnen zusammen zu arbeiten. Gleichberechtigung könne nicht erreicht werden, wenn man die Männer ausschließe, so Kamali.
Aktivisten der Eine Million Unterschriften Kampagne, Shahabaddin shikhi , Hamideh Nezami und Amir Rashidi, haben von der Entstehung ihres Männer-Komitees und ihren Erfahrungen aus dem Iran berichtet। Sheikhi und Rashidi thematisierten die Schwierigkeiten, die Männer als feministische Aktivisten bei ihrer Arbeit haben..
In seinem Vortrag über Islam und Frauenrechte wies Eshkevari darauf hin, dass dieses Thema eine der meist diskutierten Fragen bezüglich des Islams und der modernen Welt sei, allerdings wäre die diskriminierende Sichtweise auf Frauen generell ein Problem in der Menschheitsgeschichte gewesen und kein spezifisch islamisches Problem. Alle Religionen hätten Diskriminierungen gegenüber Frauen begünstigt, aber dies sei nicht ursprünglich in den Religionen verankert gewesen. Zeitliche und soziale Elemente beeinflussen jede Ideologie und man dürfe den historischen Verlauf nicht vergessen. Der Islam habe zur Zeit seiner Entstehung die Stellung der Frau und ihre rechtliche Lage verbessert.
Eshkevari betonte, dass man zwischen Islam und dem islamischen Recht unterscheiden müsse. Das islamische Recht sei erst im siebten Jahrhundert entstanden und viele Vorschriften, die Frauen benachteiligen, seien nicht im Koran verankert. Darüber hinaus gäbe es kein Konsens unter den Rechtsgelehrten und die Meinungen über die Frauenrechte seien sehr unterschiedlich.
Eshkevari sagte islamische Gesetze seien veränderbar und der Koran spreche von der Gleichheit der Menschen. Trotz rechtlicher Diskriminierungen seien Mann und Frau aus menschlicher Sicht im Koran gleich und kein Geschlecht habe einen höheren Stellenwert. Um Gerechtigkeit in einer Gesellschaft zu erreichen, seien sowohl Gesetze notwendig, als auch die vollziehende Gewalt, so Eshkevari. Er nannte es dogmatisch, die Scharia für das vollkommene Gesetz zu halten. Nicht die Scharia sei die Grundlage für Gesetze, sondern die Normen und Traditionen der Gesellschaft.
Im zweiten Vortrag nannte Mohammad Reza Nikfar den Islam, von dem Eshkevari spricht, einen alternativen Islam und lenkte die Aufmerksamkeit auf die Geschichte der Unterdrückung im Islam. Er nannte als Beispiel die rechtliche Lage von Sklavinnen, die auch als Konkubinen dienten, und sagte der Prophet Mohammed habe die Normen der damaligen Gesellschaft weitergeführt und die Frau nicht besser gestellt, sondern weiterhin die Polygamie und die Sklaverei beibehalten. Im Islam herrsche ein Komplex aus Diskriminierungen, der nie beseitigt worden ist. Besonders schwerwiegend sei die Benachteiligung der Frauen. In 1400 Jahren islamischer Geschichte sei nie die Tradition Mohammeds in Frage gestellt worden. Insofern könne man heute kaum von einem Missverständnis bezüglich der Frauenrechte im Islam sprechen.
Nikfar differenzierte zwischen zwei Ebenen, der Wahrheit und dem friedlichen Zusammenleben. Er betonte, dass man sich wahrscheinlich nie darüber einig werde, welche Version die Wahrheit sei, aber wichtiger seien das friedliche Zusammenleben und die Fortsetzung der Diskussionen. Nach den Vorträgen diskutierten Eshkevari und Nikfar weiter. Eshkevari bezeichnete das islamische Eherecht und Erbrecht als wichtige Reformen zur Zeit Mohammeds und stellte die Frage, ob der Islam reformierbar sei? Er selbst sei der Meinung, dass Reformen durch eine neue Interpretation der islamischen Quellen, zum Beispiel des Koran, möglich seien. Nikfar äußerte dagegen, so lange der Koran als strategischer Text und Machtelement zur Herrschaftssicherung diene, könne es keine Reformen geben. Denn eine neue Interpretation durch Intellektuelle könne zu blutigen Auseinandersetzungen führen, da sie als „Abtrünnige“ bezeichnet und wegen Beleidigung der Religion zum Tode verurteilt werden könnten. Nikfar betonte Reformen seien nur in einem säkularen System möglich, in dem Denker nicht bedroht würden.
Ein Bericht von Parisa Tonekaboni